Skip to content

Sexismus in der Werbung: So unterschiedlich nehmen Männer und Frauen das Problem wahr

Horizont-Artikel vom 25.03.18, Ingo Rentz

Die #MeToo-Debatte hat es gezeigt: Sexismus, Geschlechterrollen und Gerechtigkeit bei der Bezahlung sind Themen, die den Menschen auf den Nägeln brennen. Auch in der Werbung werden diese Probleme erkannt – Verbraucher nehmen sie allerdings sehr unterschiedlich wahr. Zu diesem Ergebnis kommt eine Exklusiv-Auswertung von impact&emotions unter 408 Bundesbürgern für HORIZONT Online.

Grundsätzlich ist das Interesse an der Thematik in der Bevölkerung durchaus hoch: Fast jeder Dritte (29 Prozent) gibt an, sich für die Themen #MeToo-Debatte und Sexismus zu interessieren. Am größten ist dieses Interesse in der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen Frauen ausgeprägt, wo 53 Prozent ein Interesse an diesen Themen bezeugen.
Bezogen auf den Bereich der Werbung ist über alle Altersgruppen hinweg jeder zweite Deutsche (49 Prozent) der Meinung, dass Sexismus in der Werbung allgegenwärtig ist. Doch längst nicht alle fühlen sich davon gleichermaßen gestört: Ein Drittel der Bevölkerung (34 Prozent) gibt an, kein Problem damit zu haben, dass es sexistische Werbung gibt, während 39 Prozent das Problem durchaus sehen.

Geht man noch etwas mehr in die Tiefe, so zeigt sich, dass die Haltung zum Thema Sexismus in der Werbung zwischen Männern und Frauen deutliche Unterschiede aufweist. Während 42 Prozent der Männer zwischen 18 und 64 Jahren der Meinung sind, Sexismus in der Werbung sei allgegenwärtig, sind es bei den Frauen 55 Prozent. Von denen, die kein Problem mit zu viel „Sex sells“ in der Reklame haben, sind 41 Prozent männlich, aber nur 26 Prozent weiblich.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Bevölkerungsgruppe, die von Sexismus und Ungleichbehandlung betroffen ist, das Problem auch in der Werbung viel stärker wahrnimmt. Dementsprechend plädieren Frauen auch viel stärker dafür, das Thema „Sexismus in der Werbung“ öffentlich mehr zu diskutieren. Dass im Zuge der #MeToo-Debatte die Sensibilität für dieses Thema steigt, zeigt auch die jüngst veröffentlichte Bilanz des Deutschen Werberates: Demzufolge haben die Beschwerden wegen sexistischer Werbekampagnen gegenüber dem Vorjahr um 18 Prozent zugenommen.

Im selben Zuge hat impact&emotions auch die Einstellung der Deutschen zur Entscheidung des FC St. Pauli, im Stadion keine sexistische Werbung mehr zuzulassen, abgefragt. Insgesamt kommt der Schritt des Kiezclubs gut an: 37 Prozent der Bevölkerung befürworten das Verbot, 30 Prozent finden es übertrieben. Besonders unter bei den Jüngeren traf St. Pauli aber offensichtlich einen Nerv: die 18-29-Jährigen Frauen befürworten zu 56 Prozent das Verbot und auch 42 Prozent der 18-29-jährigen Männer sind dafür.

Und noch ein interessanter Aspekt kam bei der Befragung heraus: Während die Positionen bei sexistischer Werbung relativ deutlich zwischen den Geschlechtern polarisieren, ist dies bei Gender-Sprache nicht der Fall. Hochgekocht war dieses Thema, nachdem eine Kundin, die sich durch die Ansprache als „Kunde“ in Formularen der Sparkasse diskriminiert sah, vor Gericht unterlag.

Die Verwendung der maskulinen Personenbezeichnung „Kunde“ ist unter beiden Geschlechtern und allen Altersgruppen gleichermaßen akzeptiert. 60 Prozent finden diese Anrede gut, nur 14 Prozent stören sich daran. Bemerkenswerterweise ist: Der Anteil der Frauen, die das generische Maskulinum gutheißen, ist sogar größer als bei den Männern (65 Prozent Zustimmung gegenüber 56 Prozent unter den Männern).

„Für einen konstruktiven Diskurs sowie einen professionellen Umgang in Werbung und den Medien ist es hilfreich, die verschiedenen Aspekte, die Stellung und Wahrnehmung von Frauen in der Gesellschaft thematisieren, nicht durch Gleichsetzung und Vereinheitlichung zu verwässern und über einen Kamm zu scheren“, ordnet Pierre Hatje, Managing Director von impact&emotions, die Ergebnisse der Umfrage ein.“Mit der Sparkasse haben wir eine funktionierende Entscheidung, die auf den ersten Blick nicht populär erscheint, die aber in der breiten Bevölkerung voll akzeptiert ist. Und St. Pauli lebt vor, wie ein Fußballverein politische Verantwortung übernehmen kann und dabei sein Image insbesondere unter jungen Erwachsenen aufwertet.“

ARCHIV