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Der ECHO ist verhallt

Nach der skandalträchtigen Preisverleihung an die beiden Rapper Kollegah und Farid Bang hat die deutsche Musikindustrie gestern das Ende des Musikpreises „ECHO“ beschlossen. Das entschied der Vorstand ihres Bundesverbandes (BVMI) während einer außerordentlichen Sitzung in Berlin.
Die Marke „ECHO“ sei infolge der jüngsten Preisverleihung „so stark beschädigt worden“, dass „ein vollständiger Neuanfang notwendig“ sei, findet der BVMI.

Eine richtige Entscheidung. Allerdings war die Antisemitismus-Debatte, angestoßen durch die Preisverleihung an Kollegah und Farid Bang, nur noch der letzte Sargnagel für eine zuvor schon stark angeschlagene Marke. Politische Kontroversen begleiteten die ECHO-Verleihung schon seit einigen Jahren. 2016 wurde die öffentliche Debatte dominiert durch die Preisverleihung an die Band Frei.Wild. In 2013 war es die Frage, ob man besagte Band Frei.Wild auf den Protest vieler anderer Teilnehmer hin nachträglich vom ECHO wieder ausladen durfte.

Das Problem mit der Musikpreisverleihung ist aber größer als nur ein paar unglückliche Entscheidungen bei der Künstlerauswahl und der Preisverleihung.
Musik ist ein hochemotionales Produkt. Wenn jedoch die Musikpreisverleihung sogar vom Moderator während der Show indirekt nur als notwendiges Übel bis zur After-Show-Party dargestellt wird, gelingt es offenbar nicht, diese Emotionalität zu transportieren.

Die Einschaltquoten zum Event sind von 2014 mit 4,21 Mio. auf ein knappes Drittel eingebrochen und auch das Internet-Interesse belegt, dass die Musikfans in Deutschland dem Preis nicht mehr die Bedeutung zusprechen, die sein Selbstanspruch sind. Der ECHO sah sich selbst als „einer der wichtigsten und renommiertesten Musikawards der Welt“. Was nominell vielleicht bestätigt wurde, spiegelte sich längst nicht mehr in der Gunst der Zuschauer wider. Nur 29% der Deutschen gaben in einer Umfrage von impact&emotions an, sich für den ECHO zu interessieren. Der nun beschlossene Neuanfang ist folgerichtig, da die beschädigte Marke auf dieser Basis kaum wieder aufzubauen gewesen wäre. Der BVMI wird nun ein neues Konzept entwickeln müssen, das der Erwartungshaltung der deutschen Musikfans gerecht wird und die Kreativität der Musikszene widerspiegelt. Die Kriterien für die Preisnominierung und die Preisvergabe möchte der BVMI „vollständig verändern“. Das alleine wird aber nicht reichen. Um einen wirklichen Neuanfang auszurufen, muss auch die Veranstaltung selbst neu konzipiert werden, wenn man wieder ein großes Publikum erreichen möchte. Anderenfalls droht auch der neue Musikpreis eine emotionslose Selbstbeweihräucherung ohne Akzeptanz unter den deutschen Musikfans zu werden.

Pierre Hatje
Managing Director von impact&emotions

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